WLAN Singleuser und Multiuser MIMO kompakt erläutert
Videostreaming in UltraHD, der Zugriff auf Cloudspeicher/Netzwerkspeicher, das Teilen von Fotos in höchster Qualität und all das zuverlässig und schnell benötigt hohe Datenraten. Die Kernfrage ist nun wie kann ich höhere Datenraten mit den verschiedenen Übertragungsmedien Ethernetkabel, Funk, Stromnetz erreichen. Gerade beim Übertragungsmedium Funk ist das Problem, dass für die benötigten Datenraten es nicht mehr allein ausreicht einfach die Frequenzbandbreite zu erhöhen oder eine Modulationstechnologie zu verwenden welche mehr Bits pro Sekunde übertragen kann. Durch diese beiden Ansätze ist es zwar möglich höhere Datenraten zu erreichen und diese Ansätze finden auch Anwendung, doch sie reichen nicht aus. Doch es gibt eine Antwort auf das Problem und diese lautet “MIMO”.
Die Abkürzung MIMO steht dabei für “Multiple Inputs Multiple Outputs”. In absoluter Kürze ist das Kernkonzept der MIMO Technologie, dass nicht nur ein Datenstrom per Funk auf einer Frequenz übertragen wird sondern gleich mehrere. Je nach Zielsetzung ist es nun möglich die Empfangsqualität an einem Empfänger zu verbessern, die Datenrate einer Verbindung zu einem Empfänger zu erhöhen (SU-MIMO) oder gleichzeitig unterschiedliche Verbindungen zu mehreren Empfängern zu bedienen (MU-MIMO). In diesem Kapitel steht die Anwendung von MIMO in WLAN im Fokus. Es wird auf folgende Themen eingegangen.
Zuvor noch kurz ein zeitlicher Überblick über die Einführung von MIMO in WLAN. MIMO wurde mit dem Standard IEEE802.11n in WLAN eingeführt. Mit der Übertragung von bis zu 4 unabhängigen Datenströmen und 40Mhz Kanalbreite konnte damit eine brutto Datenrate von bis zu 600 Mbit/s erreicht werden (SU-MIMO). Mit dem nachfolgenden Standard IEEE802.11ac wurde die Möglichkeit eingeführt bis zu 8 unabhängige Datenströme gleichzeitig zu einem Empfänger zu übertragen (SU-MIMO). Bei höchster Modulationsstufe und 160MHz Kanalbreite könnten damit bis zu ca. 6 Gbit/s brutto übertragen werden. Alternativ sieht IEEE802.11ac die Möglichkeit vor bis zu 4 unabhängige Datenströme gleichzeitig an 4 unterschiedliche Empfänger zu liefern (MU-MIMO). Die im Standard definierten Maximalkonfigurationen sind technisch allerdings sehr aufwendig und somit bieten die auf dem Markt erhältlichen WLAN Geräte in der Regel nur niedrigere Ausbaustufen an. Gerade WLAN Clients, welche von Ihrem Einsatz her meistens klein und stromsparend sein sollen, unterstützen meistens gar keine oder nur niedrige MIMO Stufen.
Notiz: MIMO ist übrigens nicht nur ein Kerntechnologie in WLAN, um höhere Datenraten zu erreichen, auch im Mobilfunk spielt MIMO eine entscheidende Rolle. Die 4. Mobilfunkgeneration LTE zum Beispiel setzt ebenfalls stark auf MIMO um hohe Datenraten zu verwirklichen und auch aus der sich in Entwicklung befindlichen 5. Mobilfunkgeneration ist MIMO nicht wegzudenken.
Notiz: Im Zusammenhang mit MIMO finden Sie oft Bezeichnung wie “2x2”, “3x3” oder “4x4”. Die Zahlen stehen dabei für die Anzahl an Sende- und Empfangseinheiten. Mit z.B. einem “2x” SU-MIMO Sender können über 2 Sendeeinheiten bis zu 2 Datenströme übertragen werden und ein “x2” SU-MIMO Empfänger kann bis zu 2 Datenströme gleichzeitig Empfangen.
Singleuser MIMO (SU-MIMO)
Bei Singleuser MIMO (SU-MIMO) steht die Erhöhung der Datenrate für eine Verbindung im Mittelpunkt. Dabei werden unterschiedliche Datenströme auf der gleichen Frequenz von einem Sender (z.B. WLAN Access Point) zu einem Empfänger (z.B. WLAN Client) übertragen. In der Vergangenheit war die Übertragung von mehreren Signalen auf der gleichen Frequenz unerwünscht da sich die gesendeten Signale überlagern und gegenseitig stören. Durch Fortschritte in der Nachrichtentechnologie wurde es aber möglich am Empfänger zwischen verschiedenen gesendeten Signalen zu unterscheiden, die in den Signalen enthaltenen individuellen Datenströme zurückzugewinnen und danach zu einem Datenstrom mit hoher Datenrate zu vereinen.
Das Kernprinzip ist dabei sehr vereinfacht ausgedrückt, dass durch die räumliche Trennung der Antennen, Signalreflexionen und andere Effekte unterschiedliche Signallaufzeiten zwischen Sender und Empfänger entstehen. Damit empfängt der Empfänger die einzelnen Signale zeitlich leicht versetzt (sogenannte Phasendifferenz). Der Empfänger kann nun die Signale unterscheiden und einzeln dekodieren.
Das folgende Bild illustriert dieses Konzept am Beispiel eines 3x3 MIMO Systems. Der WLAN Access Point sendet dabei über 3 Sendeeinheiten, 3 unterschiedliche Signale mit welchen 3 individuelle Datenströme übertragen werden. Alleine durch die Distanz der Antennen zueinander entstehen dabei schon unterschiedliche Signallaufzeiten. Der Empfänger empfängt an seinen Antennen die 3 Signale, plus weitere Signale welche durch Reflexionen entstanden sind. Jede der Empfangseinheiten sucht sich nun aus den empfangenen Signalen das für sich beste heraus, wobei der Empfänger darauf achtet das letztendlich jede Empfangseinheit ein anderes Signal empfängt. Die Signale werden in den Empfangseinheiten in einzelne Datenströme gewandelt und dann zu einem Datenstrom mit hoher Datenrate zusammengefügt.
Notiz: Für die Unterscheidung der Signale an einem Empfänger ist nicht nur eine unterschiedliche Signallaufzeit sondern auch ein Unterschied in der sogenannten “Polarisation” des Funksignals hilfreich. Ein unterschiedlicher Winkel in welchem ein Funksignal gesendet wird bewirkt dabei eine Änderung in der Polarisation. Das ist ein Grund warum die Empfehlung existiert, mehrere WLAN Antennen wenn möglich in einem leichten Winkel zueinander auszurichten.
Transmit Beamforming (TxBF)
Sie mögen sich schon gefragt haben, was der Abschnitt über Transmit Beamforming hier soll. Die Antwort lautet, dass die Transmit Beamforming Technologie (TxBF) die Voraussetzung für die MU-MIMO Technologie bildet. Um MU-MIMO zu verstehen ist es somit nützlich zuerst etwas mehr über Transmit Beamforming zu erfahren.
Das Grundprinzip hinter Transmit Beamforming ist, dass wenn verschiedene Signale auf der gleichen Frequenz mit gleicher Wellenform und gleicher Phase empfangen werden, dass diese Signale sich gegenseitig verstärken (sogenannte konstruktive Interferenz). Umgedreht schwächen sich 2 verschiedene Signale auf der gleichen Frequenz mit gleicher Wellenform weitestgehend, wenn die Phase eines der Signal um eine 1/2 Wellenlänge zum anderen Signal verschoben ist (180 Grad Phasendifferenz). Das folgende Bild stellt diesen Zusammenhang grafisch dar.
Die Idee ist nun den oben erläuterten Zusammenhang kontrolliert auszunutzen. Das geschieht darüber, dass der Sender Informationen über die örtliche Lage und den damit abhängigen Signalpfad zu einem Zielempfänger erhält. Mit diesem Wissen wird ein Signalstrom auf mehrere Antennen verteilt und dabei jedes nun entstehende einzelne Signal so in der Phase verschoben, das am Zielempfänger alle Signale mit der gleichen Phase empfangen werden. Der Raum in welchem sich das Signal verstärkt überlagert hat dabei die Form eines ausgebuchteten Strahls.
Wie eben erwähnt muss der Sender für Transmit Beamforming Informationen über die örtliche Lage des Zielempfängers haben. Diese Informationen werden bei WLAN darüber gewonnen, dass der WLAN Access Point von Zeit zu Zeit eine spezielle Sequenz zum ausloten der Signalpfade über alle Antennen aussendet. WLAN Clients welche Transmit Beamforming unterstützen berechnen aus dieser Sequenz Ihre örtliche Lage und senden diese Information an den WLAN Access Point. Dieser hat nun die nötigen Informationen, um die einzelnen Signale für einen WLAN Client bestmöglich zu formen.
Notiz: Dadurch das die WLAN Clients explizit Transmit Beamforming unterstützen müssen, ist sowohl das Transmit Beamforming als auch das darauf basierende MU-MIMO nicht rückwärtskompatibel. Sprich Transmit Beamforming funktioniert nur mit aktuellen WLAN Access Points und aktuellen WLAN Clients, welche diese Funktion unterstützen.
Multiuser MIMO (MU-MIMO)
Multiuser MIMO (MU-MIMO) macht sich nun das Transmit Beamforming zunutze indem es dieses gleichzeitig über mehrere Empfänger hinweg anwendet. Die gesendeten Signale werden dabei nicht nur so geformt, dass sich diese am Zielempfängern überlagern, sondern auch an den anderen Empfänger weitestgehend schwächen. Dadurch kann jeder einzelne Empfänger sein eigenes Signal bestmöglich Empfangen, ohne durch die Signale für die anderen Empfänger zu sehr gestört zu werden.
Der Gewinn ist dabei eine Steigerung der Gesamtdurchsatzdatenrate einer WLAN Funkzelle. Dieser Gewinn entsteht dadurch, dass WLAN Access Points meistens über mehr Sende- und Empfangseinheiten verfügen als die WLAN Clients. Ein WLAN Access Point welcher 4x4 SU-MIMO beherrscht, kann zu einem WLAN Client welcher kein MIMO beherrscht nur einen Datenstrom senden. Die anderen potentiellen Datenströme liegen brach. Mit MU-MIMO kann ein WLAN Access Point nun bis zu 4 individuelle Datenströme zu 4 verschiedenen Empfängern gleichzeitig senden. Dadurch wird die Ressource Funk besser ausgenutzt und die Gesamtdurchsatzdatenrate in einer WLAN Funkzelle erhöht.
Notiz: Der IEEE802.11ac Standard definiert die Möglichkeit bis zu 4 WLAN Clients per MU-MIMO gleichzeitig zu bedienen. Ob ein bestimmter WLAN Access Point diese Möglichkeit auch zur Gänze unterstützt ist damit nicht sicher. Es ist gut möglich das in der praktischen Implementierung in den Geräten weniger WLAN Clients gleichzeitig per MU-MIMO bedient werden können. Wer es genau wissen will, der muss sich für einen bestimmten WLAN Access Point entsprechend erkundigen.
Den besten Fall annehmend, dass ein WLAN Access Point mit Sende- Empfangseinheiten zur Verfügung steht, dann könnte dieser Access Point in einer WLAN Funkzelle 4 WLAN Clients gleichzeitig bedienen. Das klingt spontan so, als würde es für den Heimgebrauch kaum noch Zugriffskonflikte geben und sich die Gesamtdurchsatzdatenrate einer WLAN Funkzelle vervielfachen. In der Realität ist das aus folgenden Gründen kaum zu erwarten.
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Die MU-MIMO Technologie wird erst einmal nur in Downlink Richtung unterstützt. Das bedeutet wenn ein WLAN Client selbst sendet, dann gilt weiterhin das Prinzip, dass für die Sendedauer kein anderes Gerät in dieser Funkzelle senden darf.
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Die MU-MIMO Technologie kann nur mit WLAN Clients eingesetzt werden, welche diese Technologie unterstützen. Das bedeutet wenn sich WLAN Clients ohne MU-MIMO Unterstützung in einer WLAN Funkzelle befinden, dann bedient der WLAN Access Points diese weiterhin einen nach dem anderen.
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Die WLAN Clients mit MU-MIMO Unterstützung sollten räumlich um den WLAN Access Point verteilt sein. Stehen die WLAN Clients in einem Winkel, vom WLAN Access Point aus gesehen, zu eng zusammen, dann kann der WLAN Access Points Probleme bekommen die einzelnen WLAN Clients per Transmit Beamforming zu fokussieren.
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Eine Sendeeinheit zu mehreren MU-MIMO WLAN Clients dauert so lange, wie das Senden entsprechend der langsamsten Verbindung zu einem dieser MU-MIMO WLAN Clients. Sprich ein weit entfernter WLAN Client ohne SU-MIMO Unterstützung und somit entsprechend niedrigen Datenraten, bestimmt die Dauer.
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Ein WLAN Access Point kann nur gleichzeitig zu mehreren MU-MIMO WLAN Clients senden, wenn auch gleichzeitig Daten zum Senden für wenigstens 2 dieser WLAN Clients vorliegen.
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Herrscht in dem verwendeten Frequenzband/Kanal Enge aufgrund zuvieler benachbarter WLAN Netzwerke, dann schafft MIMO-MU etwas Abhilfe. Davon profitieren aber auch die anderen benachbarten WLAN Netzwerke, da die freiwerdende Kapazität nach dem CSMA/CA Prinzip dem Frequenzband/Kanal als ganzes zugute kommt.
Folgende Schlussfolgerungen können daraus gezogen werden:
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MU-MIMO dürfte am effizientesten für einen WLAN Access Point mit der maximalen Anzahl an Antennen und Tx/Rx Einheiten sein. Des Weiteren für Funkzellen in welchen sich sehr viele WLAN Clients mit MU-MIMO Unterstützung befinden. WLAN Hotspots an öffentlichen Plätzen oder angesagten Cafes sind dafür gute Kandidaten.
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Auch für den Heimgebrauch ist ein Effizienzgewinn (höhere Gesamtdurchsatzdatenrate in einer Funkzelle) zu erwarten. Voraussetzung ist aber auch hier entsprechende MU-MIMO Unterstützung in möglichst vielen WLAN Clients.
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Wie groß der Effizienzgewinn genau sein wird, lässt sich schwer vorhersagen. Nach Ergebnissen einer Webrecherche könnte die Gesamtdurchsatzdatenrate einer Funkzelle bei Idealbedingungen um mehr als den Faktor 2 steigen. Liegen keine Idealbedingungen vor (was in der Realität meistens der Fall ist), dann dürfte der Zugewinn an Gesamtdurchsatzdatenrate gerade am Anfang der Verbreitung von MU-MIMO sehr deutlich unter diesem Faktor liegen. Mit über die Zeit steigender Verbreitung von MU-MIMO, sowohl in den WLAN Clients als auch bei benachbarten WLAN Netzwerken, wird der Zugewinn voraussichtlich wieder steigen.
Notiz: Implizit konnte man es den Ausführungen in diesem Kapitel schon entnehmen, doch soll es hier noch explizit gesagt werden. MU-MIMO steigert nicht die direkte brutto WLAN Datenrate zu einem einzelnen WLAN Client. Ein WLAN Client welcher selbst z.B. 4x4 SU-MIMO beherrscht erzielt die höchste Datenrate wenn die Verbindung auch mittels SU-MIMO erfolgt. Doch selbst wenn schnelle WLAN Clients direkt keinen Vorteil von MU-MIMO haben, so kann doch indirekt ein Vorteil erzielt werden. Wird weniger Zeit gebraucht um andere langsame single Stream WLAN Clients (ohne MIMO) mit Daten zu versorgen, dann bleibt mehr Zeit übrig um Daten an schnelle WLAN Clients zu senden.